|
|
|
|
Montag, 26. April 1993
Sport
|
|
|
|
Krones'Drehschlag entschied
Ludwigsburger Kick-Boxer verteidigte EM-Titel - Ausgeknockter Herausforderer war lange bewußtlos
khu. - Der entscheidende Schlag des alten und neuen Champions löste bange Minuten der Unsicherheit aus: Am frühen Sonntagmorgen, kurz nach Mitternacht, hatte der LudwigsÂburger Kick-Boxer
Gerd Krones unter dem Jubel der rund 700 Zuschauer in der Oßweiler Mehrzweckhalle seinen Europameisterschafts-Titel verteidigt, doch schnell rückte der in der sechsten Runde zu Boden gegangene
italienische Herausforderer Salvatore Mazzola in den Brennpunkt des Geschehens. Nach einem Handdrehschlag an die Halsschlagader blieb der 23jährige aus Palermo über drei Minuten lang bewußtlos liegen,
bevor die Wiederbelebungsversuche des Ringarztes endlich Erfolg hatten. Mazzola, der offensichtÂlich einen Herzstillstand hatte und anschließend Gedächtnislücken aufwies, brauchte allerdings nicht
ins Krankenhaus gebracht werden und gestern nachmittag hatte Krones' Manager Karl-Heinz Schnürch eine erfreuliche Nachricht zu vermelden: „Ihm geht es schon wieder gut".
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Wiederbelebungsversuche hatten Erfolg: Der Ringarzt kümmerte sich nach dem K.o.-Schlag um den Herausforderer.
|
|
|
|
„Tragisch" nannte Gerd Krones die Begleitumstände seines Triumphes, der den Abschluß und zugleich Höhepunkt einer insgesamt gelungenen Kick-Box-Veranstaltung bildete. „Ich hatte ihn in den
Runden zuvor schon mehrfach am Kopf getroffen, ohne daß er Wirkung gezeigt hatte", wunderte sich der 26 Jahre alte Europameister über die Nehmerfähigkeiten des Italieners. Auch Michael.
Lämmermeier vom Sportamt der Stadt Ludwigsburg, der die Siegerpokale überreichte, stellte erschrocken fest: „Der Mazzola war ganz weit weg."
Der blitzschnell ausgeführte K.-o.-Schlag in der sechsten Runde des auf zehn Durchgänge angesetzten Fights war
|
|
|
|
|
gleichbedeutend mit dem ersten vorzeitigen Kampfende des Abends. Zuvor hatten sich acht Ludwigsburger Kick-Boxer mit unterschiedlichen Erfolgen geÂgen baden-württembergische Kontrahenten versucht. Siege verbuchten
Alan Salek, Jens Jacobi und Luca de Meo, Punkt-Niederlagen mußten Jochen Müller, Mario Popovit, Marko Tomosic und Pave Cindric hinnehmen. Schließlich mußte Klaus Lomprich mit einem Remis zufrieden sein.
Lokalmatador Krones war nicht nur vom TiÂtelkampf geschlaucht. Der Gas-Wasser-Instal-lateur, der sich vor einem Jahr als HerausfordeÂrer gegen den Franzosen Cilia den EM-Gürtel der World Kickboxing-Association
holte, mußÂte in den vergangenen Wochen dreierlei- unter einen Hut bringen: Er trat in Oßweil als VeranÂstalter auf, übte seinen Beruf aus und bereitete sich auf den Wettkampf vor. „Die nervliche Belastung
war enorm", stöhnte Krones, der sich die letzten drei Tage vor dem Fight selbst auf Diät setzte, um das Kampfgewicht von 79 Kilogramm zu halten. Zuvor hatte sich der Ludwigsburger, der jetzt nach 27
Auseinander Setzungen 21 Erfolge (davon 7 K.-o.-Siege) au seinem sportlichen Konto stehen hat, von sei nem Normalgewicht (83 kg) heruntertrainiert.
Mazzola hatte Flieger verpaßt
Ins Schwitzen brachte ihn am Freitag aucl Salvatore Mazzola. Der Herausforderer, der h Oßweil als italienischer Meister präsentier wurde, hatte offenbar seinen Flug verpaßt um traf erst am Samstag, wenige Stunden
voi Kampfbeginn, in Ludwigsburg ein. „Wenn de: Fight geplatzt wäre ...", dachte Veranstalte] Krones an die Folgen. Schließlich war es seir Ziel, Kick-Boxen (Fuß- und Faustschläge oberÂhalb der
Gürtellinie) auch in Ludwigsburg poÂpulärer zu machen. „Die Stimmung war gut", bedankte sich der Europameister beim PubliÂkum, das auch das Rahmenprogramm (KarateÂdarbietung, Rock-'n'-Roll-Tanz und
Bodybuil-1 ding) mit Beifall honorierte.
Gerd Krones, der bereits bei 500 zahlenden Zuschauern finanziell aus dem Schneider geÂwesen wäre und noch auf der Suche nach eiÂnem Sponsor ist, wird vielleicht noch in diesem Jahr nach dem Welttitel des größten
Kick-Box-Verbandes greifen. „Aber dann", so der alte und neue Champion, „würde ich auf ein AngeÂbot aus dem Ausland warten." Daß Krones' Entscheidung, sich vor einigen Jahren von den Handballern der
TSG Oßweil zum Kick-Boxen zu verabschieden, nicht falsch war, scheint offensichtlich. Frühere Team-Kollegen aus der A-Jugend wie TSG-Kapitän Oliver Hess drückten Krones am Samstag als Zuschauer die Daumen, und
Manager Karl-Heinz Schnürch brachÂte es auf den Punkt: „Der Erfolg gibt ihm recht."
|
|
|
|
„Jetzt ist der Druck weg", atmete der LokalÂmatador nach dem elfminütigen Fight durch, denn der Titelverteidiger erwies sich als der erwartet harte Brocken. Mit 50:50 hatte man im Krones-Lager die Chancen
abgewägt und es deutete nach dem ersten Schlagabtasch in der Tat einiges darauf hin, daß der Vergleich im Super-Leicht-Schwergewicht (bis 79,38 KiloÂgramm) über die volle Distanz von 12 Runden (ä zwei Minuten)
gehen könnte. „Seine KörperÂhaken haben mir ganz schön zugesetzt", räumte Krones ein. Ãœber ein halbes Jahr Vorbereitung Doch der, Ludwigsburger, der sich seit über einem halben Jahr
intensiv auf seinen Karriere-Höhepunkt vorbereitet hatte, ließ sich von seiÂnem ein Jahr älteren Kontrahenten kaum beÂeindrucken und erarbeitete sich von Runde zu Runde Vorteile. Tony Luciano, ein Belgier
itaÂlienischer Abstammung, bekam mehr und mehr Probleme mit der Kampfweise des dreiÂfachen deutschen und zweifachen EuropameiÂsters. Denn Gerd Krones setzte vor allem seine Füße ein, mit denen man den Gegner
beim sogenannten Vollkontakt-Kickboxen nur überder Gürtellinie treffen darf. „Damit kommen viele nicht zurecht, die mehr mit den Fäusten arbeiten", merkte der frischgebackene Weltmeister an.
Daß der belgische Titelverteidiger für Krones und seinen Trainer Achim Böhme ein ziemlich unbeschriebenes Blatt war, störte den LudÂwigsburger keineswegs: „Ich will vorher eiÂgentlich nie etwas über meinen
Gegner wissen. Es ist mir lieber so". Für den neuen WeltmeiÂster, der vor neun Jahren mit dem Kickboxen begonnen hat, stand ohnehin fest, daß er geÂzwungen war, Druck zu machen. Denn, so Böhme:
„Ein Unentschieden hätte Luciano ja schon gereicht".
Doch in der sechsten Runde beendete Gerd Krones mit einem wuchtigen Schlag alle SpeÂkulationen, obwohl ihn sein Coach bis zu dieÂsem Zeitpunkt bereits „nach Punkten vorn" gesehen hatte. Der Belgier, der sich
nach seiÂnem k.o. glücklicherweise schnell wieder auf-, rappelte, fuhr noch in der Nacht zum Sonntag in seine Heimat zurück und nahm als TrostpflaÂster die Garantiebörse von 15000 Mark mit.-
Ludwigsburgs neuer Welt-Champion genoß völlig losgelöst den Triumph des späten Abends, ließ sich von Hank Verschuur, dem holländischen Präsidenten des World Kick-boxing Council, Meistergürtel und Pokal
überÂreichen, und erklärte nach Mitternacht die WM-Gala für beendet und die Siegerparty für eröffÂnet. Dafür hatte Gerd Krones schließlich schon „geprobt", denn in den beiden Nächten vor dem Fight
„habe ich kaum ein Auge zubekommen".
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Zeigte Biß: Regina Halmich (links) gewann ihren Weltranglisten-Kampf gegen die Belgierin Werle Brespenix.'
|
|
|
|
Stimmungslage änderte sich schlagartig
Ludwigsburg hat einen neuen WeltmeiÂster - und viele haben es mitbekommen. Die zweite von Gerd Krones selbst veranÂstaltete Kickbox-Gala lockte mit etwa 1500 Sportfreunden doppelt so viele Zuschauer in die
Oßweiler Mehrzweckhalle wie die PreÂmiere vor einem Jahr. „Das war diesmal viel mehr Streß", stöhnte Krones-Manager Karl-Heinz Schnarch, gemeinsam mit dem Champion und dessen Trainer Achim BöhÂme
Geschäftsführer der eigens für die WM-Gala gegründeten Firma „activ Promotion".
Schnürch lag besonders eins am Herzen: „Wir wollten es natürlich noch besser maÂchen als 1993." Also ließ man nicht locker und überzeugte schließlich 30 lokale SponÂsoren, sich für die Veranstaltung zu
engagieÂren. Das war nicht immer einfach, denn VorÂurteile über das Kickboxen („milieubehafÂtet" und Gewalt verherrlichend) erschwerÂten das Werben. „Wichtiger als das Geld", versicherte der
Manager nach dem Kampf, „ist uns'eine gute Publicity".Und das knapp vierstündige Programm konnte sich durchaus sehen lassen. Nach drei Vorkämpfen mit Lokalkolorit begeiÂsterte der Nachwuchs einer
Taekwon-Doe-Schule mit einer gelungenen Vorstellung ebenso wie die Formen-Kata-Vorführung des Österreichers Rüdiger Miller. Auch der Weltranglistenkampf, den die 17jährige EuÂropameisterin Regina Halmich aus
Deutschland nach Punkten gegen die BelÂgierin Werle Brespenix für sich entschied, bot guten Sport und dem zahlreich vertreteÂnen weiblichen Geschlecht im Publikum ein kleines „Bonbon". Denn den
Frauen-Fight begleitete folgerichtig ein „Nummern-Boy", der die einzelnen Runden ankündigte und sich dabei nach und nach seiner KleidungsÂstücke entledigte. Zum „Äußersten" - man ahnte es ja schon
- kam es jedoch nicht, obwohl der Kampf über die volle Distanz ging.
Sparen können hätte man sich wohl den männlichen Stripper, der nach dem DM-Kampf im Schwergewicht (Sven Oetjen entthronte Titelverteidiger Ergin Solmaz
durch einen Abbruchsieg in der zweiten Runde) seinen Auftritt hatte. Aber über Geschmack läßt sich ja bekanntlich nicht streiÂten.
„Wir sind in der Beweispflicht", hatte sich Karl-Heinz Schnürch vor der Gala selbst unÂter Druck gesetzt und war schließlich erÂleichtert, daß auch die Ehrengäste, „die der Einladung nur zögernd
gefolgt sind, letztÂendlich doch so zahlreich zugesagt haben". Auch für Gerd Krones haben sich die StraÂpazen der vergangenen Wochen und Monate gelohnt. Der 1,85 Meter große Kickboxer mußte von seinem
Normalgewicht (85 KiloÂgramm) rund 11 Pfund „abkochen", und zwar fast ausschließlich Muskelmasse. „Ich war zuletzt richtig schlecht gelaunt", komÂmentierte Krones die Quälerei. Seit SamsÂtagabend
hat sich die Stimmungslage des 27jährigen wieder schlagartig gewandelt -im wahrsten Sinne des Wortes.
Karl-Heinz Ullrich-
Behinderte profitieren von Superleistung der Kickboxer Zu seiner Superleistung gratulierte Oberbürgermeister Hans Jochen Henke dem Ludwigsburger Weltmeister im Kickböxen, Gerd Krones (Dritter von links).
Bei diesem Treffen handelte es sich jedoch nicht um eine „Gratülations-cour" im üblichen Sinn. Vielmehr hatte der OB (Mitte) die Patenschaft für eine Spende übernommen, die der MTV-AbÂteilung
Judo/Behinderte zugute kommt. Das Kickboxen-„Dreamteam" - Krones, Trainer Achim Böhme (Zweiter von links) und PR-Promotor Karl-Heinz Schnürch (links) - übergab einen Scheck in Höhe von 1000 Mark an
MTV-Vorstand Dr. Ingo Schwytz (rechts) und Abteilungsleiter Karl-Heinz Petschinka
(Zweiter von rechts). Die Speadestammt aus Eintrittsgeldern des WM- Kampfes im Kickboxen, der vor kurzemfast 2000 Fans in der Oßweiler Mehrzweckhalle begeisterte. Als „EmpfänÂger" ausgesucht wurde die
MTV-AbteiÂlung, um zum einen behinderten Sportlern zu helfen und darüber hinaus einedem Kickboxen artverwandte Sportart zu unterstützen. Den Betrag verwendet der MTV, so Dr. Schwytz, für die Ausrichtung eines
internationalen Judo-Turniers für Behinderte im November 1995. Kickboxen entstand nicht - wie oftangenommen - in Asien, sondern in den USA. Es ist eine Mischung aus Boxen und
Karate.
|
|
|
|
|
|
|
Bild: Schmidt
|
|
|
|
|
|
|
|
In den Ring steigt Ex-Kickbox-Weltmeister Gerd Krones (rechts) vorerst nur noch mit Klaus Lomprich.
Fotos: av
|
|
|